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Aktuelle Rechtsprechung zum Eigenbedarf

Aktuelle Rechtsprechung zum Eigenbedarf

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In Mietverhältnissen über Wohnraum gilt ein weitreichender gesetzlicher Schutz der Mieter. Da gemietete Wohnungen oder Wohnhäuser in der Regel den Lebensmittelpunkt und das Zuhause der Mieter darstellen, kann die Vermieterseite nicht grundlos kündigen. Während Mieter grundsätzlich immer ohne Angabe von Gründen mit dreimonatiger Frist zum Monatsende kündigen können, bedarf es auf Vermieterseite hingegen eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses. Ein solches Interesse stellt z.B. der Eigenbedarf dar, also wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Aber auch in diesen Fällen führt nicht jede Kündigung zum Erfolg:

So macht z.B. die Angabe eines falschen Nachnamens im Kündigungsschreiben die Eigenbedarfskündigung unwirksam. In einem vom Landgericht Berlin zu entscheidenden Fall hatte die Vermieterin in ihrer schriftlichen Kündigungserklärung mitgeteilt, die Wohnung für ihre Stieftochter zu benötigen, die sie allerdings mit einem vollkommen unzutreffenden Nachnamen angab. Das zuständige Amtsgericht wies die Räumungsklage der Vermieterin ab, weil nach den gesetzlichen Bestimmungen die Gründe für das berechtigte Interesse, hier also den Eigenbedarf, im Kündigungsschreiben anzugeben sind. Dazu gehört auch die richtige Benennung derjenigen Personen, die in die Wohnung einziehen soll. Denn dass die Personen, für die der Eigenbedarf geltend gemacht wird und die in die Wohnung einziehen sollen, vom Mieter eindeutig identifiziert werden kann, gehört zu den sogenannten Kerntatsachen, die mit der Begründung der Kündigung mitgeteilt werden müssen. In der Berufungsinstanz hat das Landgericht Berlin diese Rechtseinschätzung bestätigt und daraufhin hat die Vermieterin die Berufung zurückgenommen (Landgericht Berlin, Beschluss vom 14.2.2023, Az. 67 S 5/23).

Es verstößt auch gegen das Begründungsgebot, wenn in einer Eigenbedarfskündigung die zukünftige Nutzung einer Wohnung für mehrere nicht namentlich benannte Kinder des Vermieters geltend gemacht wird. Dieser Fall lag ebenfalls dem Landgericht Berlin vor. Der Vermieter hatte vier Kinder und begründete den Eigenbedarf mit der künftigen Nutzung der Wohnung durch zwei Kinder, die jeweils 1994 geboren wurden und im Ausland studierten. Die Namen der Kinder gab er nicht an. Die Begründung des Eigenbedarfs sei nur dann ausreichend, wenn hinreichende Angaben zu der Person gemacht werden, für die die Wohnung benötigt werde, und das Interesse dargelegt werde, dass diese Person an der Erlangung der Wohnung habe. Dem Vermieter solle dadurch die Möglichkeit genommen werden, Kündigungsgründe im Nachhinein auszuwechseln. Der Mieter könne seine Verteidigung gegen die Kündigung nur auf die Angaben im Kündigungsgrund ausrichten, wozu es erforderlich sei, dass die Personen identifizierbar seien, für die Eigenbedarf geltend gemacht werde (Landgericht Berlin, Beschluss vom 14.2.2023, Az. 67 S 288/22).

Darüber hinaus muss im Zeitpunkt der Erklärung der Eigenbedarfskündigung eine hinreichend konkrete Nutzungsabsicht bestehen. Hierzu hatte das Amtsgericht Hamburg einen Fall zu entscheiden, bei dem die Vermieter den Mietvertrag über eine Sechs-Zimmer-Wohnung kündigten mit der Begründung, der studierende Sohn der Vermieter wolle mit vier Freunden dort einziehen, um eine Wohngemeinschaft zu gründen. In der vom Gericht durchgeführten Beweisaufnahme (Zeugeneinvernahme des Sohnes) ergab sich, dass der Sohn zwar beabsichtigte, mit mehreren Freunden zusammen in die Wohnung zu ziehen, über die Höhe der Miete sei aber noch gar nicht gesprochen worden. Weder der Sohn noch die vermeintlichen weiteren Mietinteressenten für die Wohngemeinschaft hätten die Wohnung bislang besichtigt. Auch die Anschriften der weiteren Interessenten konnten nicht benannt werden. Das Amtsgericht hat daraufhin die Räumungsklage der Vermieter abgewiesen und festgestellt, dass keinerlei Klarheit herrsche, ob die Personen unter Berücksichtigung ihrer gegenwärtigen bestehenden Lebensverhältnisse überhaupt ernsthaft beabsichtigten, in die Wohnung einzuziehen. Es müsse aber bereits im Zeitpunkt der Kündigung ein konkretes Interesse des Vermieters an der künftigen Rückgabe der Räume bestehen. Der Eigenbedarf sei im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Kündigung nicht hinreichend verfestigt gewesen (Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 26.10.2022, Az. 49 C4 141/21).

Auf der anderen Seite wenden Mieter gegen eine Eigenbedarfskündigung häufig ein, der Eigenbedarf sei nur vorgespiegelt (tatsächlich gebe es keinen Überlassungswillen an eine andere Person) und es läge eine unbillige Härte vor, weil ihrerseits keine andere Wohnung gefunden werden könne. Diese Einwendungen greifen indes nur relativ selten durch, wie auch im vorliegenden Fall nicht geschehen:

So hatte das Amtsgericht Frankfurt am Main einen Fall zu entscheiden, in dem ein Vermieter zwei Mietern angekündigt hatte mit der Begründung, er benötige die Wohnung für seinen Sohn und dessen minderjährige Tochter. Der Sohn sei geschieden und wohne derzeit in einer Wohngemeinschaft in nur einem Raum. Die Mieter widersprachen und stellten in Abrede, dass der Sohn mit seiner Tochter in die Wohnung ziehen wolle. Außerdem würde ein Umzug eine unbillige Härte darstellen, weil die Mieter dort seit fast 40 Jahren gelebt hätten und fest verwurzelt seien. Ferner sei der Mieterin aufgrund einer depressiven Verstimmung ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Das Amtsgericht gab der Räumungsklage statt, weil glaubhaft dargelegt worden sei, dass der Sohn des Vermieters in die Wohnung ziehen möchte, um das Umgangsrecht mit seiner Tochter aus seiner geschiedenen Ehe auszuüben. Auch läge kein Härtefall vor: Ein Umzug stelle nur dann einen Härtefall der, wenn ein erzwungener Wohnungswechsel aufgrund einer tiefen Verwurzelung unzumutbar sei. Dies könne sich daraus ergeben, dass die Mieter soziale Kontakte zu Nachbarn aufgebaut haben, in der näheren Umgebung für den täglichen Lebensbedarf einkaufen gehen, Dienstleistungen in der Umgebung in Anspruch nehmen und dort an Veranstaltungen teilnehmen. So etwas sei aber nicht dargelegt worden. Auch die vermeintliche Krankheit stelle keinen Härtegrund dar. Hierfür müsse die Mieterin aufgrund ihrer Krankheit daran gehindert sein, eine entsprechende Ersatzwohnung zu finden oder der Gesundheitszustand bzw. die Lebenssituation müsse sich durch einen Umzug rapide verschlechtern. Ein fachärztliches Attest, aus dem sich nur pauschal ergibt, dass eine depressive Verstimmung bestehe und ein Wohnungswechsel zu Belastungen führe und welches nicht erläutert, was für konkrete medizinische Folgen die Räumung hätte, genüge nicht (Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.5.2022, Az. 33 C 2877/21).

Auch ein vermeintlicher Wohnungsmangel macht eine Eigenbedarfskündigung nicht per se unwirksam. Nach einem Urteil des Amtsgerichts Schöneberg begründe eine allgemeine Wohnungsmangellage noch keine unzumutbare Härte für den Mieter, sondern erhöhe zunächst lediglich die Anforderungen an die Bemühungen des Mieters zur Wohnungssuche. Für den Mieter sei die Beauftragung eines Maklers ebenso zumutbar wie die Wohnungssuche auch in Außenbezirken sowie ggf. der Abschluss eines befristeten Mietvertrages auch über eine Wohnung mit schlechtem Zuschnitt (Amtsgericht Schöneberg, Urteil vom 17.10.2022, Az. 105 C 191/22).

Wer eine Eigenbedarfskündigung erklären möchte oder sich einer solchen ausgesetzt sieht, sollte sich frühzeitig fachkundigen Rechtsrat einholen, um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen.

 

 

 

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