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Aufklärungspflichten für Verkäufer von Immobilien – Urteil des Bundesgerichtshofes erwartet

Aufklärungspflichten für Verkäufer von Immobilien – Urteil des Bundesgerichtshofes erwartet

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Wer eine Immobilie verkauft, hat weitreichende Pflichten. Unter anderen muss der Verkäufer auf ihm bekannte Mängel des Hauses oder Grundstückes hinweisen. Andererseits kann der Käufer verpflichtet sein, sich bestimmte Informationen selbst zu beschaffen.

Fragt der Kaufinteressent im Rahmen seiner eigenen Informationspflicht, die neben der Hinweispflicht des Verkäufers besteht, nach bestimmten Umständen, muss der Verkäufer ohnehin vollständig und wahrheitsgemäß Auskunft geben.

Aber auch ohne konkrete Nachfrage der Käuferseite ist der Verkäufer gehalten, vor dem Vertragsschluss von sich aus Hinweise zu erteilen, wenn der Verkäufer den Umstand kennt oder ihn für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Umstand nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt schließen würde.

Insbesondere solche Umstände, die für den Käufer von nicht unerheblichem wirtschaftlichem Interesse sind, können unter diese Aufklärungs- oder Offenbarungspflicht fallen:

So muss der Verkäufer z. B. hinweisen auf den Verbau von Asbest oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen oder wenn das Gebäude ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet wurde, wenn der Verkäufer eine vertraglich geschuldete Bodenuntersuchung nicht durchgeführt hat, wenn für das Gebäude eine Mietpreisbindung bzw. Sozialbindung vorliegt oder der Mieter im Rückstand mit der Miete ist, wenn für das Gebäude eine Hochwasser- oder Überflutungsgefahr besteht, wenn das Grundstück zuvor als Müllkippe benutzt wurde, wenn der Verdacht besteht, dass Schäden an tragenden Holzteilen vorliegen, wenn für das Gebäude ein Verdacht mit Befall von Hausschwamm besteht, das Gebäude unter Denkmalschutz steht oder wenn extrem schikanöses Verhalten der Nachbarn bzw. mehrjährige nächtliche Ruhestörungen bekannt sind.

Verstößt der Verkäufer gegen solche Aufklärungspflichten, so handelt er arglistig und der Käufer könnte sich später nach Bekanntwerden der Umstände wieder vom Vertrag lösen und/oder Schadensersatz- oder Minderungsansprüche geltend machen.

Dem Bundesgerichtshof (BGH) liegt nun ein Fall zur Entscheidung vor, in dem die Käuferin (eine Gesellschaft) in einem großen Gebäudekomplex in Hannover mehrere Gewerbeeinheiten für über 1,5 Millionen Euro erworben hat. Das Gebäude ist nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) organisiert und es gibt neben den Sondereigentumseinheiten (die einzelnen Wohnungen) auch sog. Teileigentumseinheiten (Gewerberäume)

In dem Kaufvertrag hatte die Verkäuferin versichert, es seien keine Sonderumlagen beschlossen worden, der Käuferin seien die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre übergeben worden und die Käuferin kenne den Inhalt der Unterlagen.

Die Verkäuferin hatte Unterlagen in einen virtuellen Datenraum gestellt und dort das Protokoll zu einer wichtigen Eigentümerversammlung drei Tage vor Abschluss des Kaufvertrages eingestellt.

Weiterhin gab es innerhalb der Eigentümergemeinschaft einen Rechtsstreit wegen Umbaukosten des Gemeinschaftseigentums mit einem Volumen von 50 Millionen Euro. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, nach dem von den Eigentümern der Gewerbeeinheiten eine Sonderumlage zur Kostenbeteiligung erhoben werden sollte.

Die Käuferin focht den Kaufvertrag an, weil sie sich arglistig getäuscht sieht: Sie habe zu spät davon erfahren, dass erhebliche Kosten für die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums auf sie zukommen könnten; durch das Einstellen des Protokolls in den virtuellen Datenraum drei Tage vor Abschluss des Kaufvertrages sei ihr das Dokument „klammheimlich untergeschoben“ worden.

Die Verkäuferin argumentiert, die Käuferin habe den Text des Kaufvertrages 11 Tage vor der notariellen Beurkundung gekannt. Die Käuferin habe sich selbst sorgfältig informieren müssen. Außerdem sei ein seit Jahren aufgelaufener Sanierungsstau bei dem Gebäude offensichtlich.

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hatte in diesem Fall die Verantwortung zur Informationsbeschaffung bei der Käuferin gesehen. Auch habe die Verkäuferin keine falschen Angaben gemacht, weil bis zum Vertragsschluss keine Sonderumlage beschlossen worden sei.

Der BGH, dem der Fall nun in nächster Instanz vorliegt, äußerte in der mündlichen Verhandlung, es gebe zwar auf Käuferseite grundsätzlich auch die Pflicht, sich selbst zu informieren, aber es müssten die Einzelheiten der Umstände genau geprüft werden. Auch sei zu prüfen, ob hinsichtlich der Sonderumlage keine falschen Angaben gemacht und ob die Unterlagen vollständig zur Verfügung gestellt worden seien. Es gelte zu klären, ob sich die Verkäuferin darauf verlassen durfte, dass Kaufinteressenten den virtuellen Datenraum selbständig prüfen oder ob eine gesonderte Hinweispflicht bestand. Dabei könne es auch auf die Art der Unterlagen ankommen: Sind es z. B. Sachverständigengutachten, in denen man gezielt nach Mängeln sucht oder sind es etwa Unterlagen für die finanzierende Bank, die vom Käufer selbst nicht intensiv geprüft werden?

Der BGH will sein Urteil am 15. September 2023 verkünden (Az.: V ZR 77/22) und es wird damit gerechnet, dass die Entscheidung generelle Bedeutung für sog. Ankaufsuntersuchungen (Due-Diligence-Prüfungen) bei Immobilienkäufen haben wird, also welche Aufklärungs- und Informationspflichten auf Verkäufer- und Käuferseite bestehen.

Lars Heinsohn

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kanzlei Prof. Versteyl Rechtsanwälte

Verfasst von:

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