Lebensmittelrecht ist streng. Es ist auch richtig, dass lebensmittelrechtliche Verstöße geahndet und veröffentlicht werden. Nicht selten steht die Veröffentlichung jedoch in keinem zeitlichen Zusammenhang mehr zum festgestellten Verstoß. Das soll eigentlich mit dem Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ verhindert werden. Die Auslegung dessen begegnet jedoch häufig Schwierigkeiten.
Nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Das ist schnell existenzgefährdend.
Was bedeutet unverzüglich?
Zur „Unverzüglichkeit“ einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB hat sich das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seiner Entscheidung vom 20.10.2022 – Az. 14 ME 304/22- umfassend geäußert. Im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ist nicht näher definiert, wann eine Information der Öffentlichkeit noch „unverzüglich“ im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB erfolgt. Nach Auffassung des 14. Senats fordert der Begriff „unverzüglich“ auch im Rahmen von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB in Anlehnung an die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB ein Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“. Bei der Auslegung zu berücksichtigen sind die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts -Beschluss vom 21.3.2018, Az. 1 BvF 1/13 – zum zeitlichen Abstand zwischen dem lebens- oder futtermittelrechtlichen Verstoß und der Veröffentlichung:
„Je weiter der Verstoß zeitlich entfernt ist, desto geringer ist auf der einen Seite noch der objektive Informationswert seiner Verbreitung, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lässt. […] Zwar wird auch aus […] Sicht [der Verbraucher] die Bedeutung einer Information mit zunehmender Verbreitungsdauer und zunehmendem Abstand von dem die Informationspflicht auslösenden Rechtsverstoß regelmäßig sinken. Es kann jedoch nicht erwartet werden, dass alte Einträge immer zuverlässig als weniger relevant wahrgenommen werden. Vor allem aber änderte auch ein mit der Zeit sinkender Einfluss auf das Konsumverhalten nichts daran, dass noch lange Zeit nach dem eigentlichen Vorfall, wenn auch in abnehmender Zahl, Verbraucherinnen und Verbraucher von dieser Information zum Nachteil des Unternehmens beeinflusst werden. Eine zeitliche Begrenzung der Veröffentlichung ist daher verfassungsrechtlich geboten.„
An ebendiese Ausführungen knüpft der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches an, mit dem das Wort „unverzüglich“ in § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB eingefügt wurde.
Mit dem tatbestandlichen Merkmal der Unverzüglichkeit soll mithin ein möglichst geringer zeitlicher Abstand der zu veröffentlichenden Information zu dem die Informationspflicht auslösenden Rechtsverstoß und dadurch eine hohe Aktualität gewährleistet werden. Mit sinkender Aktualität der Information reduziert sich auch der Wert dieser Information für die Verbraucherinnen und Verbraucher und umso weniger ist den hiervon Betroffenen die Veröffentlichung im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zuzumuten.
In dem der Entscheidung des OVG Lüneburg vom 20.10.2022 zugrunde liegenden Sachverhalt, bei dem der Senat das Tatbestandsmerkmal der Unverzüglichkeit verneinte, vergingen zwischen der Feststellung der Verstöße und der Anhörung zur Veröffentlichung lediglich zehn Wochen. Wie das Merkmal der Unverzüglichkeit auszulegen ist, hängt insb. von dem Umfang des Verwaltungs- / Ermittlungsaufwands im Einzelfall ab. In einem Fall, in dem der Verfasser dieses Artikels ein Unternehmen verteidigte, ließ sich die Behörde sogar vier Monate Zeit. Sträubte sich die Behörde im Anhörungsverfahren noch, von einer Veröffentlichung abzusehen, konnte sie spätestens im gerichtlichen Verfahren überzeugt werden. Eine Erledigung war die Folge.
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